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Gute Fallen, Schlechte Fallen

Leute designen viele schlechte Fallen, meistens weil sie es nicht besser wissen. Woher auch? Niemand erklärt einem, wie eins Fallen baut oder meistert. Die meisten Spielmeister, die wissen wie, sind sadistische Arschlöcher und daher nicht die besten Lehrer, die netten älteren kennen das Problem und benutzen meist gar keine Fallen und das Spielleiterhandbuch enthält nur Regeln.
Regeln für schlechte Fallen: Würfle eine Fertigkeitsprobe. Wenn du sie schaffst, würfle noch eine, damit nichts passiert. Wenn du scheiterst, mach einen Rettungswurf (die andere Sorte Fertigkeitsprobe), um Schaden zu vermeiden. Das ist keine Falle, sorry, das ist nur eine Reihe Würfelwürfe. Sie baut keinerlei dramatische Spannung auf, hauptsächlich weil keine*r eine Entscheidung treffen muss, sondern Spieler*innen immer nur die gleiche Abfolge von Aktionen durchführen. Nach Fallen suchen und sie entschärfen ist immer die beste Entscheidung, um Schaden zu vermeiden, es nicht zu tun die beste, um sich nicht zu langweilen.

Langeweile ist nicht immer schlecht. Manchmal hat sie eine narrative Funktion, als Atempause, die die Spannung etwas abfallen lässt, oder um ein Ereignis herasuzustellen, das andernfalls nicht bemerkt würde. Manchmal ist es die Arbeit, einen Stat-Block oder Mathe zu machen, damit das Spiel läuft. Aber manchmal erfüllt sie gar keinen Zweck – und das ist das Problem von schlechten Fallen.

Wo bleibt die Handlung?

Laut Überlieferung aus dem Höllenschlund der Onlinediskussionen um D&D haben langweilige Fallen einen Zweck: Sie existieren, um die Ressourcen der Spieler*innen zu reduzieren, indem sie ihre Lebenspunkte reduzieren. Was soviel heißt wie: Sie existieren, damit die Mathematik des Spiels funktioniert – was ein guter Grund ist, wenn eins mehr Mathe im Spiel möchte. Aus der Sicht von Menschen, deren Vorstellung von Spaß nicht zwangsläufig mehr Rechnen einschließt, liest es sich eher als „wir brauchen die Langeweile, damit wir uns später mehr langweilen können“, was dann doch recht albern klingt.

Manche, glaube ich, meinen, dass Fallen ein Element von Überraschung zur Handlung beisteuern, als wären Fallen in einem Dungeon oder an einer Schatztruhe besonders unerwartet, und als hätte dieser Plottwist-Fetisch nicht das Ende von Game of Thrones ruiniert. Aber sagen wir, die Spielmeisterin hat es geschafft, eine Falle zu stellen, die niemand erwartet, das Spiel ist, so unwahrscheinlich das klingt, kein krampfhaftes Würfeln von Wahrnehmungsproben geworden und die Spieler*innen lösen die Falle aus – bringt das wirklich die Handlung voran? Vielleicht für die Dauer des Überraschungsmoments und eine Weile danach, wenn sie sich etwas vorsichtiger vorantasten, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie schon angeschlagen kämpfen müssen, aber unterm Strich ist das Ergebnis meist nicht viel größer als das von „Steine fallen, alle verlieren X Lebens- punkte“. Außerdem wird aus „vorsichtiger vorantasten“ schnell endlose Wiederholung von Fertigkeitsproben, womit ein recht hohes Langeweilerisiko mit wenig Konsequenz für die Handlung bleibt.

Natürlich kann dieser Moment der Überraschung, wenn Spieler*innen in eine unerwartete Falle tappen, auch einiges zum Spaß von Spielleiter*innen beitragen – einen kleinen Triumph über die Spieler*innen, die sich durch die Monster metzeln, als wären sie nichts, die sadistische Freude an ihren schockierten Gesichtern und einen Weg ihnen zu zeigen, dass 1 mehr über den eigens gebauten Dungeon weiß als sie. Ja, diese Fallen sind eher etwas für die Unsympathen unter den Spielleitern. Eine Falle, die niemand außer der*m Spielleiter*in kommen sieht, ist nur für diese*n spannend und macht oft nur einer Person am Tisch Spaß. Überraschende Fallen sind unspannend und höchstens eine Falle für Spielleiter*innen, die ihre eigene Unterhaltung über die der Spieler*innen stellen.

Wissen ist Spannung

Wenn Fallen Spaß machen sollen, müssen die Spieler*innen davon wissen. Das ist die Grundregel für den Bau von Fallen, die einen Zweck in der Handlung erfüllen. Sie müssen entweder ihren Effekt sehen (die Leichen vorangegangener Abenteurer sind ein Klassiker), einen Teil der Falle bemerken (das sehr spitze Fallgitter über ihren Köpfen) oder einen Hinweis darauf bekommen, dass dort Fallen sind (dies ist das Grab eines zwergischen Fallenmeisters). Das drohende Unheil baut Spannung auf, die sich entlädt, wenn die Falle ausgelöst oder umgangen wird. Manchmal erhöht sich die Spannung auch, wenn eins einer Falle nur knapp entkommt – ich würde sogar ausdrücklich empfehlen, die Spieler*innen merklich einen Fallenmechanismus auslösen zu lassen, ohne dass etwas passiert, oder tödliche Fallen zuschnappen zu lassen, sobald sie sie passiert haben, um mehr Spannung aufzubauen. Dieser simple Mechanismus funktioniert mehr oder minder (wie auch für Türen oder Schatztruhen – es ist das gleiche Muster von Erwartung, Spannung und Entladung), sofern die Spieler*innen nicht schon übervorsichtig sind.

Allerdings funktionierte er vermutlich besser in früheren Editionen von D&D, als es im Spiel mehr ums Erforschen von Dungeons ging und von Spieler*innen erwartet wurde, dass sie alle Wände mit einer Stange überprüfen, bevor sie durch den Korridor liefen, mit wandernden Monstern auf den Fersen. Das D20-System machte aus ersterem ein paar Würfelwürfe und letzteres, die Monster, kamen ebenfalls aus der Mode, sodass nach Fallen suchen kein Risiko mehr bedeutet und somit keine Entscheidung zu fällen ist. Übervorsichtig sein hat keine Konsequenzen außer Langeweile, die Spieler*innen sind nicht mehr in einem Dilemma und die Spannung geht flöten. Die Spielmechanik arbeitet gegen das Narrativ, indem sie Spieler*innen für die langweilige Entscheidung belohnt.

Übervorsichtigen Abenteurer*innen ein Zeitlimit setzen kann helfen, aber da Zeit in TTRPGs noch merkwürdiger ist, als sonst, finde ich diese Lösung nicht ideal. Außerdem ist es echt nicht meine Art, meine Spieler*innen dafür abzustrafen, dass sie zu langsam waren. Meine bevorzugte Lösung ist, die Falle selbst zu einer lohnenswerten Erfahrung zu machen, indem ich eine puzzle- oder rätselartige Herausforderung daraus mache, die leicht zu bewältigen ist, wenn eins herausfindet, wie sie funktioniert. Außerdem können Fallen den Spieler*innen wertvolle Informationen darüber geben, wie die Bewohner des Dungeons denken, was ihnen einen Vorteil im nächsten Kampf bringen könnte. Das macht die Falle selbst ein bisschen interessanter, wei sie nicht nur mit Würfelwürfen geschlagen werden kann, zwingt Spielmeister*innen darüber nachzudenken, warum die Falle da ist, und verankert sie fester als Teil der narrativen Kontinuität. Mit der Spannung hilft das allerdings nicht sehr viel weiter.

Uuund Action!

Die Zeit, wo die Spannung, die eine Falle erzeugt, am höchsten ist, ist die Zeit zwischen dem Moment, wo sie ausgelöst wird, und dem Moment, wo sie ihren vollen Effekt entfaltet. Bei D&D ist das meist die Zeit zwischen der Rettungswurf-Ansage der Spielleiterin und dem Resultat des Wurfs, also das absolute Minimum. Außerdem reduziert D&D die Frage von Erfolg oder Misserfolg auf eine Frage von Glück und Mathematik, statt auf eine Frage bedeutungsvoller Entscheidungen. Wieder arbeitet die Spielmechanik gegen die narrative Spannung.

Die einzige Falle im Spielleiterhandbuch, die das nicht tut, ist der klassische rollende Felsbrocken, der den Spieler*innen eine Chance gibt wegzulaufen. Der einzelne Würfelwurf wird ersetzt durch Entscheidungen, wohin und wie schnell 1 laufen soll, und plötzlich kann der Moment der Spannung sich über die gesamte Zeit strecken, bis die Charaktere entkommen sind, zerquetscht wurden oder jemand den Felsen stoppen kann. Die komplexen Fallen in Xanathar’s Ratgeber folgen ebenfalls diesem Prinzip. In diesem Moment Initiative würfeln ist wahrscheinlich nicht das beste für die Spannung (ich würde erst die Charaktere agieren lassen, dann den Brocken), aber alles in allem ist das besser.

Indiana Jones – schlechtes Beispiel für Archäologie, gutes für spannende Fallen.

Wahrscheinlich ist es das, weil der Felsbrocken direkt aus einem Film über heroische Grabräuber und Nazis schlagen übernommen wurde, der recht gut darin war, Spannung zu erzeugen. Die Falle wird deutlich sichtbar ausgelöst und erschafft damit eine Erwartung, der Felsbrocken beginnt zu rollen und erschafft Spannung und Indy entkommt, womit die Spannung sich entlädt. Der spannendste Moment der Szene ist allerdings der Moment der Entscheidung, ob er die Statuette werfen soll oder die wiederholten versuche, aus der Grube zu entkommen. Schwere Entscheidungen und drohende Gefahr – beide funktionieren, oft sogar besser, wenn gestreckt.

Das ist auch der Grund, weshalb Fallen, die ihre Opfer festhalten, im besten Fall im gleichen Raum mit etwas Gefährlichem, besser funktionieren. Die Schlangengrube aus diesem Film, die Rancor-Höhle oder die Müllpresse aus Star Wars oder sogar das steigende Wasser auf der Titanic sind alle gute Beispiele: Sie zwingen die Protagonisten zur Entscheidung zwischen kurzfristiger Sicherheit (Schlangen verjagen, der Bestie ausweichen, über Wasser bleiben) und wirklichem Entkommen (die Mauer durchbrechen, aus der Presse kommen, das Boot verlassen). Das kann effektiv sein, aber es ist nicht wirklich eine Entscheidung: Meistens ist Entkommen die beste Wahl, sie ist bloß nicht ganz so leicht zu treffen wie in Szenarien ohne kurzfristige Bedrohung. Es kann trotzdem die Spannung ein gutes Stück ausdehnen und bringt mehr Action in die Fallen, als es Würfelwürfe oder ausgedehntes Fallen suchen können.

Macht Fallen dramatisch! Rettet den Gnom!

Um eine wirklich gute Falle zu machen, müssen die Spieler*innen um zu entkommen bedeutende Entscheidungen treffen, was meist heißt, dass sie Auswirkungen über die Falle oder den Dungeon hinaus haben. Ja, es wäre immer noch irgendwie eine bedeutende Entscheidung, wenn eine Abenteurerin um dem Fels zu entkommen in eine Stachelgrube springen oder weiterlaufen müsste, aber es wäre wahrscheinlich wesentlich bedeutungsvoller, wenn ein*e Held*in mit Spinnenphobie in ein Spinnennetz springen müsste, oder ein Charakter etwas Wertvolles zurücklassen müsste, um zu entkommen. Eine Falle zu bauen, die auf die Bindungen oder Fehler eines Charakters zielt, den Charakter vor eine unmögliche Wahl stellen, macht die Falle bedeutungsvoller für die Geschichte dieses Charakters.

Wenn die Charakterzüge in eurer Gruppe sich nicht besonders dazu eignen oder ihr nicht gern auf einzelne Spieler*innen zielt, gibt es ein bedeutungsvolles Element, das in jedem Dungeon dasselbe ist: die Gruppe selbst – oder vielmehr, die Beziehungen zwischen den Charakteren. Wenn ihr ihnen eine bedeutungsvolle Wahl geben möchtet, gebt ihnen die Chance ein anderes Gruppenmitglied durch ein Opfer zu retten. Zwei Charaktere, die zur gleichen Zeit am selben Alkoven ankommen, das nur einem Schutz vor dem heranrollenden Felsen bietet, eine Chance für den Krieger, das sich senkende Fallgitter hochzustemmen, aber womöglich dabei selbst darunter zu bleiben, eine Falle, aus der der Schurke ohne Probleme entkommen könnte, aber nicht der Gnom, sodass einer den anderen tragen und langsamer werden müsste… Entscheidungen wie diese werden immer dramatische Folgen für die Geschichte haben, egal wie die Charaktere wählen. Rette den Gnom oder rette dich selbst – das ist die Art dramageladenes Dilemma, das Fallen sein sollten.

Zuletzt gibt es noch eine Sorte unerwartete Falle, die die Handlung mehr als ein bisschen vorantreiben kann: Eine Falle, die die Protagonisten Auge in Auge mit ihren Antagonisten bringt, mit einem ausreichend großen Nachteil, dass erstere über Verhandlungen nachdenken und letztere sich vielleicht zu einem Monolog über ihren Plan hinreißen lassen. Lasst sie glauben, dass sie den Bösewicht in seiner Festung überraschen werden, nur um in einen Hinterhalt zu stolpern, und bietet dann großzügig an, sie laufen zu lassen, unter einer Bedingung. Lasst sie eine Schräge herab in einen Eisenkäfig direkt über einem Vulkan rutschen, wo sie ein bisschen köcheln und über ihr Leben nachdenken können, bevor die Handlanger sie dort finden und dem Boss bescheid geben. Lasst das böse Gruppenmitglied die anderen in eine Falle führen, kalte Füße kriegen und die anderen warnen, oder lasst seinen Meister den Charakter verraten, um ihm einen guten Grund geben, die Seiten zu wechseln. Es gibt so viele Dinge mehr, die eine Falle tun kann, als nur schaden oder vergiften!

Wie ihr allerdings seht, hilft die Spielmechanik dabei nicht wirklich. Sie reduziert Fallen bemerken und verstehen auf einen Würfelwurf, ihnen zu entkommen auf einen zweiten und ich glaube nicht, dass freiwillig an einem Rettungswurf scheitern, um einen anderen Charakter zu retten, irgendwo in den Regeln nur als Option vorgeschlagen wird. Die Regeln verhindern spannende Fallen.

Nach diesen Gedanken frage ich mich tatsächlich, ob ich die Regeln überhaupt noch nutzen sollte, oder nur Sequenzen von Puzzles, gestreckten Konsequenzen und Dilemmas entwerfen sollte. Was meint ihr?

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